Pflegegeld bei Pflegegrad 4
Bei schweren Beeinträchtigungen im körperlichen und kognitiven Bereich erhalten pflegebedürftige Versicherungsnehmer monatliche Geldleistungen und weitere Hilfen. Voraussetzung für Pflegegeld bei Pflegegrad 4 ist die schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit.
Es gibt viele Gründe, aus denen Menschen auf Pflege angewiesen sein können: Krankheiten, Unfälle und Behinderungen, aber auch kognitive und psychische Beeinträchtigungen sorgen für eine Einschränkung der Selbstständigkeit. Nehmen die Beeinträchtigungen schwerste Grade an, benötigen die Betroffenen in vielen Bereichen des täglichen Lebens Unterstützung, z. B. bei der Körperpflege, beim An- und Auskleiden und bei der Nahrungsaufnahme, aber auch im Haushalt. Für pflegende Angehörige kann die Pflege in diesem Grad der Pflegebedürftigkeit zu einer großen Belastung werden.
Trotz der physischen und psychischen Belastung kümmern sich in vielen Familien die Angehörigen um ein pflegebedürftiges Familienmitglied. Oft ist es der Partner, der mit Unterstützung der Kinder oder Enkel für seinen Angehörigen sorgt. Doch es sind mitnichten nur Senioren, die der Pflege bedürfen: Auch pflegebedürftige Kinder oder jüngere Erwachsene sind darauf angewiesen, Tag für Tag von einem Angehörigen (oder einer professionellen Pflegekraft) versorgt zu werden.
Um die Belastung, die durch die Pflege durch Angehörige entsteht, aufzufangen, können Pflegebedürftige Leistungen der Pflegeversicherung erhalten: Das Pflegegeld bei Pflegegrad 4 ist für pflegende Angehörige vorgesehen, die sich um die tägliche Versorgung eines Pflegebedürftigen kümmern. Mit Pflegegrad 4 haben Pflegebedürftige zudem Anspruch auf weitere Leistungen der Pflegeversicherung. Dazu zählen u. a. Pflegesachleistungen, Kombinationsleistungen, Pflegehilfsmittel sowie Zuschüsse zur Tages- oder Nachtpflege.
Pflegegeld und Pflegeleistungen bei Pflegegrad 4
Mit dem Pflegestärkungsgesetz 2 wurden 2017 die ehemaligen Pflegestufen durch fünf Pflegegrade ersetzt. Welcher Pflegegrad einem Pflegebedürftigen zugewiesen wird, entscheidet die zuständige Pflegeversicherung: Mithilfe eines extern beauftragten Pflegegutachtens wird ermittelt, ob ein Pflegebedürftiger Pflegeleistungen und Pflegegeld in Pflegegrad 4 oder einem anderen Pflegegrad erhält. Zugeteilt wird Pflegegrad 4 Versicherungsnehmern, die unter „schwerster Beeinträchtigung ihrer Selbstständigkeit“ leiden – mit dem Pflegegrad erkennt die Pflegeversicherung die Pflegebedürftigkeit an.
Die wichtigste Leistung des Pflegegrads 4 ist das Pflegegeld: Es sorgt dafür, dass pflegende Angehörige sich mehr auf die Pflege eines pflegebedürftigen Familienmitglieds konzentrieren können. Neben den Pflegesachleistungen, die für einen ambulanten Pflegedienst gedacht sind, bildet das Pflegegeld die zentrale Komponente der monatlichen Leistungen. Für Pflegegrad 4 sieht die Pflegeversicherung ein monatliches Pflegegeld in Höhe von 728 Euro vor, der Zuschuss zu Pflegesachleistungen liegt bei 1.612 Euro.
Über Pflegegeld und Pflegesachleistungen bei Pflegegrad 4 hinaus gewährt die Pflegeversicherung einem Pflegebedürftigen weitere Leistungen:
- Kombinationspflege aus Pflegegeld und Pflegesachleistungen mit anteiligem Anspruch auf Pflegegeld
- Betreuungs- und Entlastungsleistungen (monatlich 125 EUR)
- Kurzzeitpflege (max. 1.612 EUR für bis zu 28 Tage pro Kalenderjahr)
- Verhinderungspflege (max. 1.612 EUR für bis zu 28 Tage pro Kalenderjahr)
- Nacht- bzw. Tagespflege (monatlich bis zu 1.612 EUR)
- zum Verbrauch bestimmte Pflegehilfsmittel (monatlich 40 EUR)
- wohnumfeldverbessernde Maßnahmen (max. 4.000 EUR pro Maßnahme)
- Gründungszuschuss für Wohngruppen (max. 2.500 EUR pro Bewohner)
- Beschäftigung einer Organisationskraft für Wohngruppen (monatlich 214 EUR pro Bewohner)
- Pflegeberatung
- Beratungsgutschein
- Pflegekurse für Angehörige
Voraussetzungen für Pflegegrad 4 und Pflegegeld
Damit ein Pflegebedürftiger Pflegegeld bei Pflegegrad 4 erhält, muss die Pflegeversicherung zunächst die Pflegebedürftigkeit feststellen. Der Pflegebedarf des Antragstellers wird mithilfe eines Pflegegutachtens ermittelt: Angestoßen wird dieses Verfahren durch einen Antrag des Pflegebedürftigen bei seiner Pflegeversicherung.
Der Pflegebedürftige bzw. seine Angehörigen müssen also zunächst selbst erkennen, dass ein Pflegebedarf besteht. Ist der Antrag auf einen Pflegegrad dann bei der zuständigen Pflegekasse eingegangen, wird ein Pflegegutachten erstellt. Das sog. Neue Begutachtungsassessment (NBA) erfolgt durch ein von der Pflegekasse unabhängiges Unternehmen wie dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) oder Medicproof (Dienst der Privaten). Für Pflegegrad 4, also eine „schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit“, müssen im Begutachtungsassessment mindestens 70 Punkte erreicht werden. Liegt das Ergebnis zwischen 70 und unter 90 Punkten, erhält der Antragsteller eine Bewilligung für Leistungen des Pflegegrads 4.
Wie beantragt man Pflegegeld bzw. Pflegegrad 4?
Der Antrag auf einen Pflegegrad muss immer von einem Pflegebedürftigen selbst ausgehen – es ist nicht Aufgabe der Pflegeversicherung, selbst eine Überprüfung ihrer Versicherten im Hinblick auf Pflegebedürftigkeit vorzunehmen. Der Antrag auf Pflegebedürftigkeit kann jedoch von jedem Versicherungsnehmer formlos bei seiner zuständigen Pflegekasse gestellt werden. Wichtig dabei ist, dass der Pflegegradantrag von dem Versicherungsnehmer persönlich gestellt werden muss – Angehörige sind nur bei Vorliegen einer Pflegevollmacht zur Vertretung berechtigt.
Ist der Antrag bei der Pflegeversicherung eingegangen, beauftragt diese die Überprüfung der Pflegebedürftigkeit mit dem Neuen Begutachtungsassessment (NBA). Ein unabhängiger Pflegegutachter nimmt bei einem persönlichen Termin in den Wohnräumen des Antragstellers eine Pflegebegutachtung vor. Diese erfolgt mithilfe eines Fragenkatalogs, der im Rahmen der Pflegegesetzgebung erarbeitet wurde: Das NBA dient der Feststellung der verbliebenen Selbstständigkeit des Antragstellers
Im Zentrum der Begutachtung stehen insgesamt sechs Kriterien, die nicht nur körperliche und zeitliche Faktoren, sondern auch kognitive Aspekte in die Feststellung der Pflegebedürftigkeit mit einbeziehen. Ziel der Befragung ist, den tatsächlichen Pflegebedarf des Antragstellers feststellen zu können:
- Mobilität: Wie mobil ist der Pflegebedürftige? Benötigt er Hilfsmittel zur Fortbewegung?
- Kognitive und kommunikative Fähigkeiten: Kann der Pflegebedürftige seine Wünsche kommunizieren und sich zeitlich und räumlich orientieren?
- Verhaltensweisen und psychische Problemlagen: Bestehen psychische Auffälligkeiten, Aggressionen oder Unruhe?
- Selbstversorgung: Ist der Pflegebedürftige in der Lage, sich zu waschen und anzuziehen? Kann er Nahrung zubereiten und ohne Hilfe zu sich nehmen?
- Bewältigung und selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen: Kann der Pflegebedürftige selbstständig Arzttermine wahrnehmen und Medikamente einnehmen?
- Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte: Pflegt der Pflegebedürftige seine sozialen Kontakte?
Diese sechs Kriterien, die zur Begutachtung der Pflegebedürftigkeit herangezogen werden, umfassen ein breites Spektrum: Sowohl körperliche als auch kognitive Faktoren müssen beleuchtet werden, um ein realistisches Bild des Pflegebedarfs zeichnen zu können. Insgesamt können in allen sechs Bereichen bis zu 100 Punkte vergeben werden:
Je geringer die verbleibende Selbstständigkeit, desto mehr Punkte werden in jeder der Kategorien vergeben. Liegt die Gesamtsumme, die nach einer vorgegebenen Gewichtung der einzelnen Kategorien berechnet wird, zwischen 70 und unter 90 Punkten, bewilligt die Pflegeversicherung in der Regel Pflegegrad 4.
Wie kann man seine Chancen erhöhen, Pflegegrad 4 und Pflegegeld zu erhalten?
Ausschlaggebend dafür, welcher Pflegegrad einem Antragsteller zugesprochen wird, ist der Begutachtungstermin mit dem Pflegegutachter. Um seine Chancen zu erhöhen, nach der Begutachtung Pflegegrad 4 und die entsprechenden Pflegeleistungen zu erhalten, können Pflegebedürftige und ihre Angehörigen sich gezielt auf diesen Termin vorbereiten. Das ist oftmals auch notwendig: Viele Pflegegutachter haben nur sehr knappe Zeitfenster zur Verfügung, innerhalb derer sie eine Begutachtung durchführen müssen. Deshalb kommt es häufig zu falschen Einschätzungen, etwa weil der Gutachter nicht sämtliche relevanten Informationen erhält.
Zu einer guten Vorbereitung auf den Begutachtungstermin gehören das Zusammenstellen aller pflegerelevanten Unterlagen, die Beschäftigung mit dem Fragenkatalog sowie das Führen eines Pflegetagebuchs. Je mehr Informationen ein Pflegebedürftiger dem Gutachter vorlegen kann, desto genauer kann dieser einschätzen, wie hoch der Pflegebedarf tatsächlich ist. Ein Eindruck der Wohnräume und der kognitiven Verfassung des Pflegebedürftigen komplettiert das Bild.
Unser Team berät Sie gern kostenlos und unverbindlich zum Thema Pflegegeld und Pflegegrad oder auch bei allen anderen Fragen der Pflege
Viele Pflegebedürftige und ihre Angehörigen sind unsicher, wenn es darum geht, die eigene Pflegesituation einzuschätzen. Deshalb kann es sinnvoll sein, einen Pflegeexperten hinzuzuziehen: Mit seiner Erfahrung und Kenntnis des Pflegebetriebs kann er professionell einschätzen, welcher Pflegegrad angemessen ist und wie hoch die Chancen sind, Pflegegrad 4 und Pflegegeld zu erhalten.
Unsere Pflegeexperten von Dr. Weigl & Partner unterstützen Sie bei Ihrem Pflegegrad Antrag. Wir helfen Ihnen bei den bürokratischen Angelegenheiten und allen weiteren Fragen zur Pflege. Falls Sie einen Pflegegrad Widerspruch anstreben oder Ihren Pflegegrad erhöhen wollen, helfen wir Ihnen auch gerne in diesen Prozessen.
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